23.06.2016
iBeacons, Bluetooth, Low Energy, Voice Over - Sie finden, das klingt kompliziert? Diese Begriffe zusammen ergeben eine ganz einfach zu bedienende App, die sehbehinderten und blinden Menschen das Leben leichter Macht. Verena Mitterlehner und Christel Schmidt haben mit Hilfe der Initiative TIM die IVO-App entwickelt.
IVO steht für „Informationen vor Ort“.
Dafür werden an definierten Orten kleine Sender (iBeacons) installiert. Orten diese ein Smartphone mit der IVO-App in ihrer Nähe, werden via Bluetooth automatisch Informationen zu Sehenswürdigkeiten, Öffnungszeiten, Fahrplänen, Toiletten oder Ruheplätzen am Display angeboten – und für Blinde und Sehbehinderte via Voice Over vorgelesen. Tatkräftig unterstützt wurde die Entwicklung der App durch das von Land OÖ und WKOÖ finanzierte Technologie- und Innovations-Management (TIM). TIM hat sowohl den Kontakt zu Förderstellen als auch zum Entwicklungspartner FH Hagenberg hergestellt. Seit einigen Wochen ist ein Prototyp der Wegbegleiter-App fertig. Jetzt suchen die Jungunternehmerinnen einen Partner, der ein erstes Projekt realisiert.
Durch Zufall kam die Idee
„Bei einer Wanderung auf den Schlossberg ist mir eines Tages aufgefallen, dass der Weg für blinde und sehbehinderte Menschen eine Herausforderung ist“, erzählt Christel Schmidt. Das Terrain ist schwierig, die Stufen ungleichmäßig, Handläufe fehlen zum Teil, kulturelle Information zur Umgebung zur Gänze. „Da habe ich mir gedacht, es sollte eine App geben, die Orte wie diesen wunderschönen Wanderweg für Blinde und Sehbehinderte besser erlebbar macht.“ Durch einen Zufall lernte die Architektin, die sich als Expertin für barrierefreies Bauen einen Namen gemacht hat, die App-Entwicklerin Verena Mitterlehner kennen. „Ich habe mich sehr spontan entschieden, Teil des Projektes zu sein“, erinnert sich Mitterlehner. Weil die technische Entwicklung und Finanzierung der IVO-App die Kapazitäten der Jungunternehmerinnen überstiegen, suchte man Unterstützung bei TIM.
TIM als Projekt-Katalysator
„TIM-Berater Alois Keplinger hat nach einem intensiven Erstgespräch das Projekt äußerst interessant gefunden und sofort sein Experten-Netzwerk aktiviert, um uns zu unterstützen“, erklärt Verena Mitterlehner. Mit Prof. Werner Christian Kurschl, Koordinator des Masterstudiengangs “Human-Centered Computing” an der FH Hagenberg, fand Keplinger den idealen Entwicklungspartner. Seine Expertise erwies sich für die Konzipierung und prototypische Entwicklung einer generischen Server-Infrastruktur als unentbehrlich. Finanziert wurde die Unterstützung durch FH-Professor Kurschl über den „Innovationsscheck Plus“ der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). „Auch den Weg zur FFG-Förderung hat uns TIM geebnet und somit als echter Katalysator für unser IVO-App-Projekt fungiert“, betonen Verena Mitterlehner und Christel Schmidt.
Statt Schubladen-Schicksal zum Prototypen-Test im BBRZ
Gerade am Projekt IVO-App lasse sich die Aufgabe von TIM bestens illustrieren, erklärt Keplinger: „Wir wollen verhindern, dass derartige Projektideen in irgendeiner Schublade verschwinden, weil Betriebe sie ohne wissenschaftliche und finanzielle Unterstützung nicht realisieren könnten.“ Immerhin haben Mitterlehner und Schmidt neben ihrem Berufsalltag hunderte Stunden an Entwicklungsarbeit in die IVO-App gesteckt. Dabei profitierten die beiden Entwicklerinnen in der zweijährigen Arbeit ganz besonders von den vielen Gesprächen mit Blinden und Sehbehinderten. „Deren permanente Rückmeldungen haben es erst möglich gemacht, die App in vielen Details punktgenau an die recht unterschiedlichen Bedürfnisse der Nutzer anzupassen“, erklärt Christel Schmidt. Denn schon in der Basiskonzeption unterscheidet sich IVO deutlich von Standard-Apps. @ Simling: Verena Mitterlehner, Alois Keplinger, Christel Schmidt „Blinde Personen brauchen Informationen per Sprachausgabe, sehbehinderte legen auf eine Zoomfunktion, die Schriften und Bilder vergrößert, sowie die Möglichkeit, Kontraste – etwa durch Farbumkehr – zu verstärken, größten Wert,“ konkretisiert Mitterlehner. Für die punktgenaue Entwicklung der App war daher die Zusammenarbeit mit der Abteilung für Rehabilitation und Integration für späterblindete und sehbehinderte Personen (RISS) am Linzer BBRZ (Berufliches Bildungs- und Rehabilitationszentrum) entscheidend. Nach vielen Abstimmungsgesprächen wurde dort schließlich ein Prototyp der IVO-App mit insgesamt fünf Stationen installiert und erfolgreich getestet.
Hoffen auf Dominoeffekt
Jetzt braucht die IVO-App möglichst rasch einen Partner, der eine Anwendung im öffentlichen Raum ermöglicht – und finanziert. „IVO ist in erster Linie ein Wegbegleiter, der für Blinde und Sehbehinderte wichtige Informationen liefert“, sagt Christel Schmidt. „Unsere App ist aber gleichzeitig für alle Menschen ein extrem nützlicher Text-, Video- und Audio-Guide im öffentlichen Verkehr, in Amtsgebäuden, Ausstellungen, Museen oder Sehenswürdigkeiten.“ Erfahrbar werden die enormen Potenziale der oberösterreichischen Entwicklung freilich erst in einem Projekt, das viele Menschen erreicht. „Wir hoffen, dass wir bald mit einer öffentlichen Institution, einem Museum oder einem Unternehmen ein erstes Projekt realisieren können,“ sagt Christel Schmidt. „Wenn die IVO-App erstmals als multimedialer Wegbegleiter und Stadtführer mit all seiner Informationsvielfalt überrascht, dürfen wir auf einen Dominoeffekt hoffen.“