18.07.2017
Testify sorgt dafür, dass die Flexity-Straßenbahnen von Bombardier künftig sicher über Wiener Schienen rollen. Das Linzer Start-up hat die Qualitätskontrolle komplett digitalisiert und verbessert.
Schon jetzt sind die Flexity-Straßenbahnen in Linz und Graz unterwegs. Ab 2018 werden die Schienenfahrzeuge aus der Bombardier Fabrik in Wien Donaustadt auch in ihrem Geburtsort verkehren. Vor der Auslieferung erfolgt in der Bombardier-Werkstatt eine ebenso penible wie zeitintensive Qualitätskontrolle. Diese hat das Linzer Start-up Testify jetzt entscheidend verbessert: Die Qualitätskontrolle ist komplett digitalisiert. Das spart rund 40 % der Zeit, erhöht die Genauigkeit, eröffnet bisher unerkannte Optimierungspotenziale und vereinfacht gleichzeitig die Dokumentation. Den Weg zu einer Forschungskooperation und Förderungen hat das von Land OÖ und WKO Oberösterreich finanzierte Technologie- und Innovations-Management (TIM) erleichtert. Aus der digitalen Checkliste von Testify soll mittelfristig ein Instrument zur vorausschauenden Instandhaltung werden.
Es sind sicherheitskritische Systeme wie die Bremsen, die Sandungsanlage, die Notsignale, die Funktion der Türen, die Multimediasysteme, die gesamte Verkabelung ebenso wie die Lackierung, die in einer finalen Qualitätssicherung kontrolliert werden. „Das kann pro Straßenbahngarnitur mehrere Tage dauern“, sagt Roman Windischhofer, der für Konzeption, Entwicklung und Innovation zuständige Produktmanager bei Testify. „Wenn davon 40 Prozent eingespart werden, kann man diese Zeit in die Verbesserungen von Produkten und Prozessen investieren.“
Smartphone oder Tablet ersetzen Klemmbrett und PC
Während die Qualitätskontrolle üblicherweise noch mittels Checklisten auf Papier und Fotoapparat erfolgt, hat Testify den gesamten Prozess digitalisiert. Die Kontrolle eines Türmechanismus, bei der zuvor ein Qualitätsprüfer am Computer den Schließmechanismus ausgelöst und ein zweiter vor Ort auf einem Klemmbrett dessen Ausführung dokumentiert hat, erledigt Testify jetzt in einem Arbeitsgang. „Kein Zettel warnt davor, dass vergessen wurde einen Punkt abzuhaken oder ein Wert dramatisch von der Norm abweicht“, sagt Windischhofer. Die digitalisierte Checkliste von Testify macht bei Bombardier seit August 2016 genau das. Außerdem identifiziert sie Objekte mittels RFID-Chip, kategorisiert die Prüfetappen, integriert alle Fotos und Kommentare in die Protokolle, erteilt automatisch Reparaturaufträge und lässt sich unkompliziert in ERP- oder CAQ-Systeme übertragen. „Testify hat zusätzlich ein Auswertungstool, das beispielsweise analysiert, welche Fehler an welchen Produkten unter bestimmten Bedingungen gehäuft auftreten.“ Damit ist die Basis für Optimierungen gelegt.
TIM stellt entscheidende Weichen
Testify ist Start up- und Spin off-Unternehmen zugleich. Es war die Software-Schmiede und Testify-Mutter dataformers aus Linz-Urfahr, die von einem namhaften Linzer Fahrzeugbauer und langjährigen Bestandskunden um die Entwicklung einer digitalen Lösung für die aufwändigen Qualitätskontrollen gebeten wurde. Bevor dataformers mit Testify zuerst eine eigene Abteilung im Unternehmen und vor wenigen Wochen schließlich ein eigenes Unternehmen zur Produktentwicklung gründete, setzte Roman Windischofer einen wichtigen Schritt.
„Ich habe mich an TIM gewandt, um herauszufinden, wer uns bei der Marktanalyse und bei Förderungen unterstützen kann. Dank seiner Routine hat uns TIM-Berater Daniel Födinger mit höchster Effizienz und zielsicher die Weichen zur FH Steyr und zur Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG gestellt.“
Roman Windischhofer, Projektmanager bei Testify
Während die FFG Mittel aus ihrem Basisprogramm und der Dienstleistungsinitiative zur Verfügung stellte, führte der FH-Studiengang „Digital Business“ eine Marktanalyse auf Basis von Experteninterviews mit Industrievertretern durch. Fazit: Das Qualitätsmanagement ist bei vielen produzierenden Unternehmen noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen, der Leidensruck entsprechend hoch.
FH Steyr erhebt latenten Leidensdruck
„Dass wir es in einer gemeinsamen Anstrengung möglich gemacht haben, aus einer Idee eine Produktinnovation zu entwickeln, die in diesem Fall mittlerweile auch noch zu einem eigenen Unternehmen geworden ist, entspricht genau jenem Arbeitsauftrag, den wir für das Land OÖ und die WKO Oberösterreich erfüllen. Das enorme Potenzial, das hinter Testify steckt, ist zur Zeit noch gar nicht wirklich absehbar. Es freut uns, dass wir diesen Weg begleiten dürfen.“
TIM-Berater Daniel Födinger.
Tatsächlich steckt enormer Aufwand hinter der Entwicklung von Testify. „Fünf Programmierer haben rund zwei Jahre an unserer Basisversion gearbeitet“, präzisiert Roman Windischhofer. Immerhin ist diese – in Echt- oder Testversionen – nicht nur bei Bombardier, sondern beispielsweise auch beim Werkzeug- und Formenbau-Unternehmen Haidlmair oder dem Anlagenbau-Konzern Primetals im Einsatz.
„Es ist kompliziert, Dinge zu vereinfachen“
Weil bei großen Unternehmen bis zu 20 Qualitätsprüfer gleichzeitig auf Testify zugreifen und Daten eingeben, ist Stabilität eine große Herausforderung. Außerdem muss Testify auch im offline-Betrieb uneingeschränkt verfügbar sein. „Wir haben alle Funktionen so aufgebaut, dass alle Daten automatisch synchronisiert werden, sobald eine W-Lan-Verbindung zur Verfügung steht“, sagt Windischhofer. Erklärtes Ziel ist es, aus Testify ein Standardprodukt zu entwickeln, das mit wenig Aufwand an branchenspezifische Anforderungen angepasst werden kann. „Natürlich sehen wir beim Programmieren ständig, dass es wirklich kompliziert ist, Dinge zu vereinfachen“, sagt Windischhofer. Angetrieben wird sein Team dabei nicht nur von den bereits erzielten Erfolgen, sondern von einer Vision. „In unserer täglichen Arbeit mit den Kunden wird immer klarer, dass predictive maintenance – also die vorausschauende Instandhaltung – eine logische Weiterentwicklung von Testify ist.“
Über TIM – das Technologie- und Innovations-Management
TIM ist die neutrale Technologieberatungsinitiative des Landes OÖ sowie der WKO Oberösterreich und wird von der oö. Wirtschaftsagentur Business Upper Austria und der WKO Oberösterreich angeboten. Die TIM-Berater sind Begleiter, Vermittler und Partner von KMU bei der Umsetzung ihrer F&E-Projekte. Im Mittelpunkt stehen eine umfangreiche, kostenlose Beratung und Begleitung bei technischen Entwicklungsprojekten oberösterreichischer Unternehmen. Das reicht von der Ideenphase bis hin zur Umsetzung im Betrieb. Dabei suchen die TIM-Berater die geeigneten Experten in Forschungseinrichtungen und überprüfen das geplante Projekt auf Übereinstimmung mit den relevanten Technologietransferförderungen bzw. -finanzierungen. Darüber hinaus recherchieren sie projektbezogen den Stand der Technik und erstellen einen Status Quo für das Unternehmen. Bis dato wurden rund 900 Projekte unterstützt und erfolgreich abgeschlossen
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